Kaiser Leopold II. (Peter Leopold, Pietro Leopoldo)


*5.5.1747 bis †1.3.1792

Biographie

Leopold II., 1790 bis 1792 Nachfolger seines Bruders Joseph II., war der dritte Sohn von Maria Theresia und Franz I. Stephan. Seinen ersten Taufnamen Peter erhielt er von seiner Patin, der Zarin Elisabeth. Er wurde wie sein Bruder im Geiste der Aufklärung erzogen, zu seinen Lehrern gehörte der große Jurist Karl Anton Martini, der ihm Grundlagen der naturrechtlichen Philosophie vermittelte. Die Bücher von Montesquieu und Muratori erschienen Maria Theresia allerdings "gefährlich", weshalb sie ihm vor dem Lesen die Konsultation seines Beichtvaters empfahl.

Nach dem Tod seines Vaters 1765 folgte ihm Leopold im Großherzogtum Toskana nach, das Franz Stephan im Wiener Frieden (1735) als Ersatz für das Herzogtum Lothringen erhalten hatte. Er zog mit seiner Gemahlin Maria Ludovica von Bourbon-Spanien, die er am 5. August 1765 - wenige Tage vor dem Tod von Franz I. Stephan - in Innsbruck geheiratet hatte, nach Florenz, wo er in 25 Jahren Regierung seine Ideen umsetzen konnte. In der Toskana, die sich in schlechtem Zustand befand, setzte man große Hoffnungen auf den neuen Herrscher Pietro Leopoldo, wie er dort genannt wurde. Zur Information über das Land machte er ausgedehnte Reisen und ließ statistische Erhebungen durchführen. Darauf aufbauend, begann er mit seinen Reformen und machte aus dem Herzogtum ein Musterland des Physiokratismus.

Maßnahmen zu Gunsten der Bauern, Beseitigung der Zölle, Freigabe des Getreidehandels, Aufhebung der Ein- und Ausfuhrverbote, eine Gemeindeordnung, aber auch die geheime Überwachung der Untertanen, Maßnahmen im Bereich der Kirche und der Justiz (Strafgesetzbuch von 1786) charakterisieren diese Reformen, die in vieler Hinsicht jenen seines Bruders Joseph II. ähnelten, aber behutsamer durchgeführt wurden. Besonders das Strafgesetzbuch wurde von den aufgeklärten Geistern Europas gerühmt. Leopolds Reformtätigkeit, für die er sich lange Zeit trotz der verbreiteten Habsburgerfeindlichkeit in der Toskana großer Beliebtheit erfreute, ging weit über die seiner Mutter und seines Bruders hinaus. Wien erschien ihm zu zentralistisch, absolutistisch und despotisch. Er wollte seine Reformen im Sinne der Auklärung nicht mit absolutistischen Mitteln durchsetzen, sondern vertrat konstitutionelle Ideen und plante mit seinem Verfassungsprojekt für die Toskana eine Volksvertretung und Selbstverwaltung.

1790 starb Kaiser Joseph II. und Leopold musste die Toskana verlassen, um die Nachfolge anzutreten. Am 9. Oktober 1790 wurde er in Frankfurt am Main als Leopold II. zum römisch-deutschen Kaiser gewählt, im folgenden Monat zum König von Ungarn (15. November) und 1791 zum König von Böhmen (6. September) gekrönt. Als er die Regierung antrat, befand sich die Monarchie in einer schwierigen Situation: Revolution in Frankreich, wo seine Schwester Marie Antoinette Königin war, Ungarn im Aufruhr, die Niederlande praktisch abgefallen, Krieg gegen die Osmanen und Konflikte mit Preußen. Doch Leopold gelang es, die Situation zu meistern. 1790 beendete er den Krieg gegen die Osmanen mit dem Frieden von Sistowa, schloss mit Preußen einen Ausgleich und erreichte mit preußischer Hilfe den Wiedergewinn der Niederlande im Kongress zu Den Haag. In Ungarn konnte er durch die Bestätigung der Selbstverwaltung einen Ausgleich mit den Ständen herbeiführen.

Im Inneren nahm er jene Reformen Josephs II. zurück, die auf zu starke Ablehnung stießen, erhielt aber den Kern der Reformbewegung, die bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wirksam blieb. Durch vor allem wirtschaftliche Unterstützung der Nichtprivilegierten, unter anderem durch Unterbindung der Getreidespekulation und des Vorkaufs sowie Senkung der Lebensmittelpreise, versuchte er, die Unterstützung des vierten Standes zu gewinnen. Zu den Erfolgen der kaiserlichen Politik trug auch die schon in der Toskana erprobte polizeiliche Überwachung bei. Die Geheimpolizei mit ihren Spitzeln hielt Leopold über die Stimmung in der Bevölkerung am Laufenden. Auch wurde die schon unter Joseph begonnene Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch bezahlte Schreiber intensiviert.

Leopolds kurze Regierung war zunehmend überschattet von der zunehmenden Radikalisierung in Frankreich. Ursprünglich sympathisierte er als aufgeklärter Herrscher mit den Gegnern des Absolutismus, zudem lag auf Grund der Probleme im Osten mit Russland, Preußen und dem Osmanischen Reich eine Verwicklung mit Frankreich nicht im Interesse Österreichs. Angesichts der radikalen Entwicklung und unter dem Druck der Emigranten sowie der konservativen Mächte Europas wandte er sich aber gegen Frankreich. Am 6. Juli 1791 forderte er in einer Note alle Souveräne Europas auf, sich der monarchischen Interessen in Frankreich anzunehmen, am 7. Februar 1792 schloss er eine gegen das revolutionäre Frankreich gerichtete Defensivallianz mit Preußen.

Knapp ein Monat später erlag Leopold einer Lungenentzündung und nicht, wie Gerüchte behaupteten, einer Vergiftung durch Freimaurer oder Jesuiten. Mit seinem Tod scheiterten nicht nur weitere Pläne zur Umgestaltung der Monarchie auf Basis der toskanischen Erfahrungen, sondern er beendete auch die Reformepoche  der Monarchie. Sein Sohn und Nachfolger Franz II. (I.) sollte - nicht zuletzt unter dem Eindruck der Hinrichtung des französischen Königspaares 1793 - im Sinne der Reaktion reagieren. Die große Bedeutung der kurzen Regierung Leopolds liegt darin, die wichtigsten Grundtendenzen des Reformwerkes Josephs II., das bei dessen Tod gescheitert schien, für die Zukunft gerettet zu haben.

Leopold II. und Maria Ludovica hatten 16 Kinder, darunter die Erzherzöge Karl, der im Sieg bei Aspern Napoleon den Nimbus des "Unbesiegbaren" nahm, und Johann, der "steirische Prinz". Seine Kinder ließ Leopold streng zu Pflichterfüllung und Selbstdisziplin erziehen. Der Kinderreichtum bannte nicht nur die Gefahr des Aussterbens des Hauses Habsburg-Lothringen, sondern führte auch zur Ausbildung mehrerer Linien wie der toskanischen und der ungarischen. Spöttisch, aber durchaus zutreffend hatte Joseph II. seinen Bruder als den "trefflichen Bevölkerer" bezeichnet.